04 Dec 2018
Gerade in der heutigen Welt der Informationstechnologie gibt es zahlreiche Möglichkeiten, Menschen mit Einschränkungen genauso gut in unsere Gesellschaft einzubinden wie alle anderen. So ist für Menschen mit körperlichen Einschränkungen wie stark verminderter Sehfähigkeit das Lesen am Computer mit technischen Hilfsmitteln weitaus einfacher als von Papier. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, technische Dokumentationen elektronisch zur Verfügung zu stellen und sie somit möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen.
Einige Voraussetzungen sind hierfür jedoch zu schaffen. Was die abgeflachte Bordsteinkante oder der stufenfreie Zugang für den Rollstuhlfahrer, das ist das barrierefreie PDF nach Maßgabe des PDF/UA-Standards beim Lesen und Bearbeiten von Dokumenten und Formularen.
(Erschienen in DOK.magazin)
In PDF/UA (= Universal Accessibility) sind die Vorgaben für barrierefreie PDF-Dokumente als ISO-Standard definiert. Ohne die Vielfalt der PDF-Technologie zu limitieren, legt er fest, wie die uneingeschränkte Zugänglichkeit von Inhalten in PDFDateien sichergestellt wird. Hierzu definiert die PDF/UA-Norm Vorgaben, um Barrieren beim Zugriff auf Seiteninhalte, Formularfelder, Anmerkungen, Metadaten und andere Elemente der PDF-Dateien auszuschließen. Damit können auch diese Benutzer, die normalerweise spezielle Hilfsmittel nutzen, mit den Inhalten in PDF-Dokumenten interagieren.
Dem Autor wiederum bietet PDF/UA klar definierte Kriterien, die bei der Erstellung barrierefreier Dokumente zu beachten sind. Um das Ziel der Barrierefreiheit zu erreichen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt werden:
Diese Vorschriften bilden die Grundlage für die Nutzung eines PDFs mit technischen Hilfsmitteln.
Die meisten dieser Anforderungen werden über zusätzliche, unsichtbare Markierungen in den PDF-Seitenbeschreibungen realisiert (Tags). Diese Marken statten PDF-Elemente mit Zusatzinformationen zu Inhalt, Position und Art des Elements aus und binden alle Elemente in eine semantische Gesamtstruktur ein. So werden Überschriften, Bildunterschriften und Navigationselemente definiert. Grafiken und Bilder lassen sich mit einem Alternativtext versehen.
Autoren können Tags mit PDF-Editoren wie Adobe Acrobat oder PhantomPDF von Foxit nachträglich definieren. Das ist allerdings ein äußerst mühsames und zeitintensives Unterfangen. Wesentlich effektiver ist es, bereits bei der Erstellung von Dokumenten, beispielsweise in Microsoft Word, OpenOffice oder InDesign, dafür zu sorgen, dass korrekte Tags bei der PDF-Erzeugung eingefügt werden.
Grundvoraussetzung ist dabei die Arbeit mit entsprechenden Formatvorlagen, mit denen die Inhalte entsprechend ihrer Bedeutung, wie Überschrift, Fließtext, Aufzählung usw., gekennzeichnet werden. Damit ist bereits der wichtigste Teil der Arbeit getan, um ein in guter Qualität getaggtes PDF direkt aus der Anwendung heraus zu erstellen. Ergänzende Werkzeuge unterstützen den Anwender dabei, die verbleibende Lücke zu einem vollständigen barrierefreien Dokument zu schließen.
Neben dem Tagging der Dokumente ist eine weitere Auszeichnung wesentlich: Damit Spezialmäuse, Software-Lösungen zur Sprachsteuerung oder Screenreader im Dokument navigieren können, ist es erforderlich, dass sie auf die inhaltliche Struktur der Dokumente zugreifen können. Dies gelingt durch das logische Verknüpfen der Tags, wodurch auch alle Inhaltsbestandteile einer semantischen Rolle zugeordnet sind. Sie können dann in einer logischen Lesereihenfolge verbunden werden, ganz unabhängig davon, auf welcher Seite und an welcher Stelle sie platziert sind.
Um einen unmittelbaren Eindruck zu bekommen, wie beispielsweise blinde oder stark sehbehinderte Personen sich ein Dokument vorlesen lassen oder darin navigieren können, lädt sich den kostenlosen, quelloffenen Screenreader Non Visual Desktop Access, kurz NVDA auf den Windows-Rechner herunter. NVDA wird von der gemeinnützigen Gesellschaft NV Access entwickelt bzw. supportet und über Spenden finanziert.
Doch wie prüft ein Autor, ob die von ihm erstellten Dokumente auch wirklich den in PDF/UA hinterlegten Vorgaben entsprechen?
Dabei unterstützen verschiedene Software-Tools, die alle auf dem Matterhorn Protokoll basieren. Dieses wurde 2013 von der PDF Association in Abstimmung mit der ISO erarbeitet und beinhaltet einen verbindlichen Prüfkatalog für barrierefreie PDF-Dokumente und -Formulare. Auf der Webseite der PDF Association steht das Matterhorn-Protokoll in deutscher und englischer Sprache zur Verfügung. Es besteht aus 31 Prüfabschnitten, die sich aus 136 einzelnen, präzise definierten Fehlerbedingungen zusammensetzen.
Das Matterhorn-Protokoll erleichtert Software-Anbietern die Entwicklung z.B. PDF/UA-konformer Exportfunktionen oder Prüfwerkzeuge. Jeder Prüfabschnitt bildet einen speziellen Bereich der Konformitätsanforderungen ab, wie z. B. 'Festlegung der Textsprache' oder 'Metadaten'. Die einzelnen Fehlerbedingungen definieren jeweils einen spezifischen Test auf Dokument-, Seiten-, Objekt- oder JavaScript-Ebene.
Ein Großteil der im Matterhorn-Protokoll definierten Fehlerbedingungen lässt dabei sich vollständig mit Software überprüfen. Zu den verfügbaren Prüfwerkzeugen gehört der kostenfrei erhältliche PDF Accessibility Checker (PAC) der schweizerischen Stiftung 'Zugang für alle'; seit 2017 ist er in der Version 3 verfügbar. Doch sind nicht alle Fehlerbedingungen maschinell prüfbar, sie erfordern daher eine interaktive Prüfung durch den Menschen, insbesondere der strukturelle Aufbau eines Dokuments. Hier bietet das kostenlose Plug-in pdfGoHTML für Adobe Acrobat von callas software Unterstützung. Es analysiert die Dokumentstruktur samt Lesereihenfolge sowie Alternativtexten für Bilder und gibt das Ergebnis in einer verständlichen Schnelldiagnose-Ansicht mit farblichen Markierungen wieder. Anhand dieser Übersicht können Autoren dann die PDF-Datei entsprechend nachjustieren.
Barrierefreie Dokumentationen betreffen nicht nur Menschen mit mehr oder weniger stark ausgeprägten körperlichen Einschränkungen. Ein mit einer sauberen Tagging-Struktur ausgezeichnetes PDF stellt generell eine Verbesserung dar. So können beispielsweise Suchmaschinen barrierefreie PDFs besser indexieren. Strukturierte PDF-Dateien lassen sich außerdem besser weiterverwenden als herkömmliche Dokumente, beispielsweise bei einer Konvertierung nach HTML. Darüber hinaus sind Inhalte aus getaggten PDFs auf mobilen Endgeräten für Nutzer einfacher zu lesen als andere PDF-Dokumente, da geeignete Viewer eine Zeilenumbruch-Ansicht zur Verfügung stellen können.
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